Der Ausbau der Stromnetze
Nach dem erneuerbaren Energiekonzept vom 28.09.2010 plant die Bundesregierung, die Treibhausgasemissionen bis zu dem Jahr 2020 um 40% zu senken. Gleichzeitig soll der Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch auf bis zu 35% erhöht werden. Das Konzept sieht vor, dass die Windenergie als regenerative Energie in der Zukunft eine entscheidende Rolle spielen wird. Gegenüber den Anlagen im Inland mit begrenzter Flächendeckung, bieten Offshore Parks die Möglichkeit einer sehr effizienten Nutzung dieser nicht-endlichen Energieform, da auf hoher See Windflauten unwahrscheinlich sind. Bis zum Jahr 2030 strebt die Bundesregierung eine installierte Leistung von 25.000 MW an. Als Standorte gelten dabei Flächen in der Nord- und Ostsee. In der Nordseesind drei Parks in Betrieb (u.a. Alpha Ventus), in der Ostsee eine. Weitere 87 sollen erstellt werden. In der 1. Bauphase befinden sich bereits 29.
Die Anbindung der Windparks ans Festland
Jedoch existieren noch logistische Probleme in der Nutzung Windparks. Die Hafeninfrastruktur muss erst noch auf die Anlagen angepasst werden. Daher setzten sich, laut einer Pressemitteilung des Bundesumweltministeriums (BMU) vom 10.12.2010 sich Fachleute des Ministerium mit Mitarbeitern aus dem Wirtschafts- und Verkehrsministerium mit Vertretern der maritimen Branche in Cuxhaven zusammen um entsprechende Lösungen zu finden. “Eine moderne Offshore-Hafeninfrastruktur ist ebenso wie der Netzausbau von entscheidender Bedeutung für die Erreichung unserer Offshore-Ziele. Noch bestehende Hemmnisse wollen wir deshalb schnell aus dem Weg räumen. Wir bieten stabile Rahmenbedingungen und wir werden den Ausbau durch entsprechende zusätzliche flankierende Maßnahmen, beispielsweise über das KfW-Offshore-Sonderkreditprogramm, kurzfristig anreizen”, sagte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Katherina Reiche.
Weiterleitung
Aber es ist nicht nur ein Problem der Hafeninfrastruktur, es gibt auch erhebliche Defizite im Transport des produzierten Stroms aus Offshore-Windanlagen. Die Deutschen Energie Agentur (dena) prüfte in einer Studie (DENA II), in welchem Unfang das Stromnetz in Deutschland erweitert werden muss, um bis zum Jahr 2020 39 % erneuerbare Energie einzuspeisen. In diesem, am 17.11.2010 den betreffenden Bundesministerien und Vertretern aus der Windindustrie vorgestellten Gutachten, konzipierte sie, auf der Grundlage des bis 2015 realisierten Übertragungsnetzes, drei Varianten, um die nicht-übertragbaren Leistungen zu korrigieren. Die Größe des jeweils erforderlich Ausbaus berechneten die Sachverständigen dabei mit 3.600 km im Basisszenario, ohne Änderung der Netzstruktur, bis zu 1.700 km neuer Trassen und zusätzlich zu modifizierende 5.700 km bei den sog. Hochtemperaturseilen (TAL 000). Je nach Variante wurden dabei Kosten zwischen 9,7 und 17 Milliarden veranschlagt.
Standorte in der Nordsee, Quelle: BfN.
Die Sachverständigen der dena Studie favorisieren für die Weiterleitung die Hochspannungsgleichstromübertragung (HGÜ). Zusätzlich zum bestehenden Netz soll mittels HGÜ Technologie wird typischerweise auf langen Strecken eingesetzt. Der wirtschaftliche Einsatz von HGÜ fängt bei Stromautobahnen(Overlay-Stromnetze) ab einer Strecke von 600 Kilometern an. Anders als bei konventioneller Wechselstromübertragung gehen nur etwa fünf Prozent der Leistung verloren Wird ein 500 kV Gleichstromkabel eingesetzt steigt der Verlust auf 6 % und bei einer 800 kV Wechselstromleitung liegt der Verlust bei 7 %. Die Hauptproblematik im Einsatz der HGÜ-Weiterleitung seitens der Bevölkerung liegt auf dem Feld des Klima- und Umweltschutzes, den beide Seiten für sich beanspruchen. Befürworter sehen in dem Einsatz eine Notwendigkeit für die Integration der erneuerbaren Energien ins deutsche Stromnetz, Gegner fürchten Lärmimmissionen, schwere Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes und das Entstehen von elektromagnetischen Feldern. Bei einer bipolaren Erdverkabelung würden diese Bedenken und die Einwände wegen zu hoher Kosten entfallen. Letztere kommen aus dem Lager der Stromanbieter.
Diese Ergebnisse wurden von Experten mit Erstaunen wahrgenommen. In dem Gegengutachten Technische Universität Berlin, Fachgebiet Wirtschafts- und Infrastrukturpolitik (WIP), im Auftrag des WWF Deutschland, kamen die Sachverständigen zu dem Schluss, dass die Berechnungsgrundlage für den Ausbau bis zu dem Jahr 2020 nicht-realistisch sei. Sie wiesen darauf hin, dass von den in der dena I Studie ermittelten zusätzlichen 850 Stromkilometern bis dem Jahr 2015, erst 80km installiert wurden. Prof. Dr. Christian von Hirschhausen, der Leiter dieser Studie, hinterfragt den erforderlichen Umfang des Netzausbaus beim Freileitungsmonitoring (FLM) und weist darauf hin, dass in Einzelfällen Windkraftanlagen in Spitzenlastzeiten gedrosselt werden könnten. Darauf angesprochen, erklärte Herrn Duveau vom WWF Deutschland, dass bei einer Drosselung von 5% von einer 20–30 % Reduzierung des Ausbaus zu rechnen sei. Eine weitere Methode der Verringerung der Höhe des Netzausbaus könnte über eine verbesserte Regeltechnik und ein effizienteres Marktdesign realisiert werden. In puncto Demand-Side-Management (DSM), dem die Verfasser der dena II Studie keine besondere Bedeutung beimessen, verweist er auf die Erfahrungen in anderen Märkten.
Demand-Side-Management
Im Demand Side Management (DSM) wird die Regelung des Strombedarfs (Demand Side) verstanden. Über eine intelligente Regeltechnologie (smart grids) kann eine schwankende Einspeisung z.B. der Windenergie ausgeglichen werden. In dem im Jahr 2009 erfolgreich abgeschlossenen EU-Projekt “Wind on the Grid” erprobten Forscher und Unternehmen auf der Iberischen Halbinsel wie sich verschiedene Windparks in unterschiedlichen Regionen für die Netzintegration zu Clustern verbinden und in das europäische Stromnetz integrieren lassen.Von deutscher Seite hat das Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) zwei Steuerungsprogramme eingebracht. Diese Softwarepakete ermöglichen es, auf Grundlage von historischen Wettervorhersagen, die zu erwartende Windleistung mithilfe künstlicher neuronaler Netze zu berechnen. In der Leitwarte des spanischen Netzbetreibers Red Electrica de Espana (REE) können Windparks zukünftig mit dem Softwareprogramm WCMS (Wind Farm Cluster Management System) zentral gesteuert werden.
Quelle: BINE.
Dadurch kommt es zu einer Glättung des Bedarfs (peak shaving). Der Anteil des aus Windenergie erzeugten Stroms zur Sicherstellung der Mittellast wird so erheblich erhöht. Dem gerne genannten Argument, dass die Windenergie wegen der Windflauten nicht berechenbar seien und Überproduktionen mit ihren Einspeisungen in Netz nicht regelbar seien, wird so “der Wind aus dem Segel” genommen. Ein solches intelligentes Last-Management wird tatsächlich bereits durch Vattenfall oder EnVersum realisiert. Aber nicht konsequent genug. Der aus Atomkraftwerken erzeugte Strom ist “Billiger”.
Auch Speicheranlagen können eingesetzt werden, um Überproduktionen und Flauten zu kompensieren. Und es bedarf nicht eines flächendeckenden Ausbaus von Pumpspeicherwerken. Die Glättung von Stromeinspeisungen aus Windenergie kann auch dezentral, vor Ort geregelt werden. Kühlhäuser, Gefriertruhen in Supermärkten können als Stromspeicher fungieren. Bei positiven Schwankungen im Netz werden wird diese Die Gefriertemperatur wird von -12° Celsius auf -22° Celsius gesenkt. Bei Windflauten wird die gespeicherte Energie wieder freigegeben.
Offshore-Anlagen und Naturschutz
Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) hat in einer Stellungnahme zwar die Nutzung von Windenergieparks zur alternativen Energiegewinnung begrüßt, formulierte aber gleichzeitig Bedingungen an den Bau von diesen Anlagen; So sollten beim Bau von Offshore-Windparks Meeresschutzgebiete und “Hot-Spots” von Vorkommen von Rastvögeln oder Schweinswalen von der Bebauung ausgespart werden; Des weiteren empfiehlt das BfN eine gemeinsame, abführende Kabelleitungen, damit ein Eingriff in Nationalparken oder Meeresschutzgebieten möglichst minimal bleibt. Auch sollten Lärmimmissionen in Paarungszeiten reduziert werden bzw. sollten beim Bau möglichst geräuscharme Techniken (z.B. Blasenschleier, die den Lärm “schlucken”) gewählt werden. Des weiteren empfiehlt das BfN geeignete Minderungs- oder Vermeidungsmaßnahmen, die Kollisionen von Vögeln mit den Anlagen entgegenwirken. Zum Beispiel könnten die Anlagenstandorte parallel zur Hauptzugrichtung aufzustellen und zu planen. Unter Berücksichtigung der Anforderung an den Naturschutz, ist es dennoch möglich, innerhalb kürzester Zeit, die Windenergie zur Nummer 1 zur Deckung des Strombedarfs zu machen. Auch ohne Laufzeitverlängerung. Und einem damit bestehenden Restrisiko. Zwar kommt es zu einer kurzfristigem Erhöhung der CO2-Emissionen, längerfristig gesehen kann das Ziel die Reduktion der Treibhausgase um minus 80 % bis 95 % bis 2050 gegenüber 1990 früher zu erreichen.
Arbeitsplätze
Die Windenergie-Branche hat sich in den letzten Jahren zur Job-Maschine in Deutschland entwickelt. Rund 100.000 Menschen sind mit Planung und Bau von Windkraftanlagen und ihrem Betrieb beschäftigt - mehr als im Kohlebergbau. Damit stellt die Windenergie den größten Teil der rund 300.000 Arbeitsplätze, die inzwischen im Bereich der erneuerbaren Energien geschaffen wurden. In einer Studie aus dem Jahr 2004 wurde von 500.000 Arbeitsplätzen in der Windenergiebranche ausgegangen. Dieser Wert wird sich, auch unter dem aktuellen Ereignisses in Japan, deutlich erhöhen. Dies sind direkte wie auch indirekte Arbeitsplätze. Allein in einem dieser Offshore-Windräder stecken 3.000 Tonnen Stahl, der in Konzernen wie Thyssen Rheinstahl Technik-N GmbH aus Essen produziert wird Auch mittelständische Unternehmen, die Getriebe herstellen und zuliefern sind daran beteiligt und gehören mittlerweile zu den führenden Unternehmen weltweit.
Doch es sind nicht nur die neu geschaffenen Arbeitsplätze, die die Windenergie zum Wirtschaftsmotor machen. Jeder Windpark vermehrt den Gemeinden die chronisch schrumpfenden Gewerbesteuer-Einnahmen. Und jede Kilowattstunde Windstrom, die in das Stromnetz eingespeist wird, senkt den Ausstoß klimaschädlicher Gase und mindert den Anstieg externer Kosten für Umwelt- und Gesundheitsschäden. So zahlt die öffentliche Hand 4,5 Milliarden Euro pro Jahr an Subventionen für die Braunkohle, davon allein 3,5 Milliarden an externen Kosten wie Rekultivierung der zerstörten Landschaften. Der Rest: Umsiedlungsförderung, Finanzhilfen, Steuervergünstigungen, Privatisierungsregelungen, Absatzförderung etc. Nicht dabei: Beschäftigungs- und Sozialförderung, Investitionsförderung Ost und Gelder für Forschung und Entwicklung.